Betrifft: Geplante Annexion palästinensischer Gebiete durch den Staat Israel
Deutscher Koordinationskreis Palästina Israel (KoPI)1
Kairos Palästina Solidaritätsnetz Deutschland (KPS)2
An den EU Außenbeauftragten Josep Borrell
An die Bundeskanzlerin Angela Merkel
An den Außenminister Heiko Maas
An die Abgeordneten des Auswärtigen Ausschuss des deutschen Bundestages
An die deutschen Abgeordneten des Europäischen Parlaments
Betrifft: geplante Annexion palästinensischer Gebiete durch den Staat Israel
Der neue Koalitionsvertrag zwischen Netanyahu und Gantz folgt dem sogenanntem „Friedensplan“ des US-amerikanischen Präsidenten Trump und sieht die Annexion palästinensischer Gebiete ab 1. Juli 2020 vor.
Diese angekündigte Annektierung wäre ein eklatanter Verstoß gegen das Völkerrecht, insbesondere gegen die Vierte Genfer Konvention, die die Rechte und Pflichten einer Besatzungsmacht wie Israel regelt, sowie gegen diverse UNO-Resolutionen wie zuletzt Nr. 2334 vom Dezember 2016.3
Ein solches Vorgehen darf nicht länger mit lediglich „dem Ausdruck großer Sorge“ hingenommen werden. Vielmehr muss jede Unterstützung Israels an die Bedingung von dessen Einhaltung von Völkerrecht und Menschenrechten geknüpft werden.
Wir fordern daher Bundesregierung, Bundestag und EU auf, Folgendes zu beschließen und den Beschluss der israelischen Regierung mitzuteilen:
Im Falle einer Annexion
- wird die militärische Zusammenarbeit mit Israel einschließlich des Rüstungshandels eingestellt;
- wird das EU-Israel Assoziierungsabkommen ausgesetzt;
- wird ein Importverbot für israelische Siedlungsprodukte erlassen;
- wird ein Handelsverbot für Firmen beschlossen, die mit israelischen Siedlungen geschäftliche Beziehungen haben oder die wirtschaftlich von Siedlungen profitieren, und die Einhaltung überwacht.4
Begründung:
Eine Annexion wäre eine weitere gravierende Verletzung der palästinensischen Rechte. Mit der Annexion würde Israel auch die völkerrechtswidrigen Siedlungen zum offiziellen Staatsgebiet machen.
Seit der Gründung 1948 hat Israel sein Staatsgebiet von 55% auf derzeit 78% des ehemaligen Mandatsgebiets Palästina erweitert, mit der neuen Annexion würden den Palästinensern weitere 30% des Westjordanlands genommen. Ihnen verblieben zerstückelte, nicht zusammenhängende Gebiete („Bantustans“), die keinen lebensfähigen, wirtschaftlich und politisch unabhängigen Staat bilden könnten. Die Gebiete in der Westbank wären dann außerdem von Israel umgeben und hätten keine Außengrenze zu einem anderen Staat, was die totale Kontrolle Israels über Aus- und Einfuhr zementieren würde.
Damit wäre die von Deutschland und der EU favorisierte aber durch Maßnahmen Israels schon lange unmöglich gemachte Zwei-Staaten-Lösung endgültig begraben.
Ein Gebiet, das annektiert werden soll, ist das fruchtbare Jordantal, das für die palästinensische Landwirtschaft lebenswichtig ist. Hier leben gerade noch 50 000 Palästinenser von ehemals 250 000 sowie 9000 israelische Siedler. Die Annexion ließe eine weitere Vertreibung der verbliebenen palästinensischen Bevölkerung befürchten.
Schon jetzt muss die unter Besatzung lebende palästinensische Bevölkerung in der Westbank, Gaza und Ostjerusalem tägliche Verletzungen ihrer Menschenrechte hinnehmen: Einschränkungen der Bewegungsfreiheit durch hunderte Checkpoints und das System der „Permits“ für Palästinenser, willkürliche Inhaftierungen (auch von Kindern) ohne Anklage und ohne Prozess (sog. Administrativhaft), Hauszerstörungen und Vertreibungen, Landraub durch kontinuierliche Erweiterungen der israelischen Siedlungen und Außenposten, beschränkter Zugang zu Wasser, Beschränkung der wirtschaftlichen Entwicklung, u.v.m. Amnesty International sagt dazu: „During more than half a century of occupation Israel has imposed a system of institutionalized discrimination against Palestinians under its rule, denying them basic rights…“5
Da der Koalitionsvertrag nicht vorsieht, der palästinensischen Bevölkerung in den annektierten Gebieten Bürgerrechte zu gewähren, würde alles auf einen Apartheidstaat hinauslaufen. Davor haben 56 ehemalige Mitglieder der Knesset gewarnt: „Annexation would mean a fatal blow to the possibility of peace and the establishment of an Apartheid State“6. Auch 50 ehemalige EU-Politiker warnen, dass eine Umsetzung des Trump-Plans zu Apartheid führen würde.7
Statt der wiederholten folgenlosen Äußerung der Besorgnis oder wortreicher Proteste müssen die europäischen Regierungen, einschließlich Deutschlands, und die EU deutlich machen, dass sie im Falle der Annexion großer Teile der Westbank durch Israel wirksame Mittel wie die oben aufgezählten Maßnahmen ergreifen werden. Wir erwarten von Israel, dass es endlich das Völkerrecht beachtet und den Palästinensern die Menschenrechte gewährt. Israels anhaltendes Festhalten an der Besatzung, die damit verbundene Ausdehnung der israelischen Siedlungen und die bereits erfolgten und angekündigten Gebietsannektierungen verletzen nicht nur internationales Recht sondern machen auch eine friedliche Zukunft zwischen beiden Völkern unmöglich.
Es ist an der Zeit, den Staat Palästina anzuerkennen.
Gezeichnet für
Kairos Palästina Solidaritätsnetz Deutschland
und den
Deutschen Koordinationskreis Palästina Israel
mit folgenden Mitgliedsgruppen:
Arbeitskreis Nahost Berlin
Arbeitskreis Palästina im Nürnberger Evangelischen Forum für den Frieden
AK Palästina Tübingen
Arbeiterfotografie, Bundesverband
Arbeitskreis Nahost, Bremen
Attac Arbeitsgruppe Globalisierung und Krieg
Bonner Nakba60-‐Gruppe
Bündnis für Gerechtigkeit zwischen Israelis und Palästinensern e.V.
Deutsch-‐Palästinensische Gesellschaft e.V.
Deutsch-‐Palästinensischer Frauenverein e.V.
Deutsch-‐Palästinensische Medizinische Gesellschaft e.V.
Europäische Allianz zur Verteidigung der palästinensischen Gefangenen (Deutsche Sektion)
Flüchtlingskinder im Libanon e.V.
FrauenNetzwerkNahost
Freunde von Sabeel Deutschland
Israelisches Komitee gegen Hauszerstörungen (ICAHD Deutschland)
Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost
Jüdisch-‐Palästinensische Dialog-‐Gruppe, München
Palästinensische Gemeinde Deutschland e.V.
pax christi, deutsche Sektion
pax christi, Diözesanverband Augsburg
Palästina Forum München
Palästina/Nahost-‐Initiative Heidelberg
Palästina Forum Nahost, Frankfurt/ M.
Salam Shalom Arbeitskreis Israel-‐Palästina e.V., München
Solidarität International
Weltfriedensdienst e.V.
Hinweise
1 KoPI ist ein Zusammenschluss von 28 deutschen Friedens-‐, Menschenrechts-‐ und Solidaritätsorganisationen, die sich für einen gerechten Frieden in Israel/Palästina einsetzt https://www.kopi-online.de/wordpress/?page_id=113
2 https://kairoseuropa.de/kairos-palaestina-solidaritaetsnetz/?mode=list
3 EN https://www.un.org/webcast/pdfs/SRES2334-2016.pdf
DE https://www.un.org/depts/german/sr/sr_16/sr2334.pdf
4 Hier der Bericht und des Hohen Menschenrechtskommissars der Vereinten Nationen über Wirtschaftsbeziehungen mit den israelischen Siedlungen und die Datenbank der beteiligten Firmen: https://www.ohchr.org/en/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=25542&LangID=E
5 https://www.amnesty.org/en/countries/middle-east-and-north-africa/israel-and-occupied-palestinian-territories/ – https://www.amnesty.org/en/latest/news/2020/01/usa-israel-opt-dismal-peace-deal-will-exacerbate-violations/
6 https://de.scribd.com/document/456829672/Statement-by-56-Former-Members-of-the-Israeli-Parliament-Against-Annexation
7 https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/fruehere-spitzenpolitiker-europas-kritisieren-trump-fuer-nahost-plan-16653374.html